Montag, 15. April 2024

Der gelernte Trompeter und sein Tenorhorn

 Sepp Tritz spielt 26 unvergessliche Melodien auf dem Tenorhorn

Vielen Stücken auf dieser CD (auch in mp3 und anderen Formaten vorhanden), kann man das Attribut ohrwurmtauglich beimessen. Umso schwerer ist es daher, dieser Musikproduktion gerecht zu werden. Die österreichische Literaturkritikerin Sigrid Löffler schrieb kürzlich über Aris Fioretos Buch Die dünnen Götter (gemeint sind damit Jim Morrison, Iggy Pop, Mick Jagger u.a.): „Wie lässt sich Musik, die spirituellste aller Künste, in Worten beschreiben? Mit welchen sprachlichen Mitteln kann man die prinzipiell nichtmimetische Kunst – fiktive Musik zumal – in Wortkunst übertragen?“ Man müsste sich eigentlich jedes Stück extra vornehmen und sich eingehend mit ihm beschäftigen. Das zu tun, würde wiederum bedeuten, zu viel vom Inhalt des Gesamten preiszugeben. Also soll es in dieser Besprechung bei einem Titel bleiben.

Zum Beispiel Gabriel‘s Oboe aus dem Film The Mission. Ennio Moricone (1928 - 2020) hat dieses Stück geschrieben. 1987 hat er den Golden Globe Award für seine Musik zu dem Film bekommen. Das Thema Gabriel‘s Oboe ist das markanteste im Soundtrack des preisgekrönten Leinwandstreifens. Das hat natürlich zu vielen neuen Arrangements und entsprechenden Aufführungen geführt, abgekoppelt von untermalten Filmszenen, nur Musik der Melodie zuliebe - und mittlerweile auf allen möglichen Tonträgern analog oder gestriemt verbreitet. Und das, obwohl gerade hier die Ohrwurmtauglichkeit nicht im Vordergrund des Tongebildes liegt. Es ist die harmonische Wolke, in der das Oboen-Thema schwebt. Was mit dem Zuhörer in solchen Momenten des Eintauchens in die Welt der Klänge passiert, hat der Ingolstädter Jazz-Kolumnist Karl Leitner kürzlich in einer Konzertbesprechung im DONAUKURIER so beschrieben: „Man kann sich in [Musikstücke] wunderbar versenken und wenn sie zu Ende sind, kehrt man mit dem Schlussakkord zurück von einer imaginären Reise.“

Das hat allgemeine Gültigkeit, unabhängig vom musikalischen Genre: ob Klassik, Pop, Rock, Jazz, Schlager, Blasmusik, Volksmusik u.s.w.. Erkennen kann man diese Universalität in Gabriel‘s Oboe auch, oder besonders, an der Diversität der zum Zuge kommenden Solisten. Es gibt hervorragende Interpretationen, in denen die Oboe ersetzt wird mit der Flöte, dem Cello, der Trompete; sogar als Choral und in vielen verschiedenen Orchesterfassungen wird sie aufgeführt. Und … die Möglichkeiten in der Musik sind unerschöpflich. Schließlich reden wir von Kunst. Auch jetzt, wenn ein Tenorhorn, das Blasmusikinstrument mit der weichen, der menschlichen Stimme so ähnlichen Klangfarbe, die Gabriel-Melodie erklingen lässt. Und so wird tatsächlich aus Gabriel‘s Oboe ein „Sepps Tenorhorn“. Denn er, der aus Jahrmarkt stammende und heute in Tschechien lebende Sepp Tritz, hat alle Standards auf seinem Erstlingswerk Sepp Tritz spielt 26 unvergessliche Melodien auf dem Tenorhorn selber für sein Mischpult bearbeitet. Nur das Tenorhorn blieb bei seiner Studioarbeit außen vor. Ihm - dem Instrument, mit dem er seiner am Temeswarer Ion Vidu-Lyzeum studierten Trompete untreu geworden war - ward eine extra Tonspur vorbehalten. Und so sind die zahlreichen Gabriel‘s Oboe-Interpretationen um eine reicher geworden. 

Sepp Tritz hat einen sehr geradlinigen Tenorhornton. Da sind keine Schwankungen zu erkennen, auch in den hohen Lagen nicht. In Gabriel‘s Oboe steigt er zögernd in das Stimmenkonglomerat ein und wird deutlicher und deutlicher in seiner musikalischen Ansage. Doch ohne sich um irgendeine Dominanz in der Dynamik des Stückes zu bemühen. Das klingt alles gut gemischt und soll bei der nächsten CD noch besser werden, wie der Hauptprotagonist (Mastering: Hans Bruss) verlautbart hat, weil neue Aufnahmegeräte schon im Visier seien.

Wenn ein Musiker eine solche Produktion in Eigenregie herstellt, gibt er natürlich auch viel von seinem musikalischen Geschmack preis. Da ist schon zu erkennen, dass Tritz nicht nur auf Blas- und Unterhaltungsmusik steht. Als er noch in Deutschland lebte, hat er bei den Original Donauschwaben in München gespielt und die Original Jahrmarkter Musikanten gegründet und jahrelang geleitet. Damals hatte er mit seiner Kapelle drei Musikkassetten (MC) aufgenommen: Märsche, Walzer, Polkas. Wie einst im Banat. Lang, lang ist‘s her! Heute finden wir auf seiner CD – ohne Musikanten, nur Technik und er – einen Streifzug durch musikalische Epochen: Generalbasszeitalter – Johann Sebastian Bach, Wiener Klassik – Wolfgang Amadeus Mozart, 19. Jahrhundert – Antonin Dvořák, um dann in der Neuzeit und zum Teil schon in der Gegenwart zu landen mit Komponisten wie Freddie Merkury, James Last, John Lennon und anderen.

Musiker und Dichter. Die haben oft etwas gemeinsam, sie widmen gerne nicht nur ganze Bücher (wie bei Prosatexten üblich) sondern auch einzelne Gedichte anderen Menschen. Die Bedachten sind Freunde, Geliebte und Bewunderte. Sepp Tritz steht diesem Brauch nicht nach. The Rose von Amanda McBroom widmet er seiner Tochter, Drei Haselnüsse für Aschenbrödel von Karel Svoboda seiner Frau und schließlich Letzte Rose in unserem Garten von Friedrich von Flotow seinen Eltern. Warum der Arrangeur und Interpret dieser Musikproduktion in Eigenregie diesen Titel mit dem Schlagertitel von Heintje bereichert hat, bleibt sein Geheimnis. (von Flotow hat sich mit der Letzte[n] Rose begnügt.) Sollte es vielleicht Heimweh gewesen sein? Für drei Generationen waren seine Eltern, Michael - der beste Trompeter des Dorfes - und seine Frau Margareta, im banatschwäbischen Dorf Jahrmarkt, heute Giarmata, allseits bekannte Personen.

Anton Potche

Sonntag, 31. März 2024

März 2024 - Giarmata in den Medien

Unsitte der rumänischen Politik
aus BanatulMeu.ro, Timişoara / Temeswar; 01.03.2024
Es ist in Rumänien guter (oder schlechter) Brauch, die Partei zu wechseln, wenn Wahlen in Sichtweite sind. Warum sollte das in Giarmata anders sein? Bürgermeister Claudiu Mihălceanu wurde vor vier Jahren als Kandidat der PMP (Volksbwegungspartei) von den Giarmataern in das höchste Amt der Gemeinde gewählt. Jetzt ist er zur PNL (Nationalliberale Partei) übergelaufen. Die Nationalliberalen bilden zurzeit mit den Sozialdemokraten die Regierungskoalition und machen sich Hoffnung, am 9. Juni (Europa- und Kommunalwahlen) viele Mandate sowohl in Europa als auch in den Kommunen Rumäniens zu gewinnen.
+ + + Schau merr mol! + + +

Versteigerung
aus RenaștereaBănățeană.ro, Timişoara / Temeswar, 01.03.2024
Beim Finanzamt in Temeswar werden zwei Giarmataer Grundstücke versteigert. Sie gehören der Firma AEGEF GRUP SRL, haben beide eine Größe von 10.000 m² und liegen außerhalb der bebauten Ortschaft. Das eine Grundstück (mit Gebäude) wird mit einem Lizitationspreis von 203.085 Lei angeboten, das zweite Grundstück ist Weide und wird mit 190.232 Lei als Eröffnungspreis angeboten. Wer nähere Details erfahren will, kann über folgende Online-Adresse fündig werden: https://static.anaf.ro/static/2/Timisoara/20240223111546_3269.pdf. Die Versteigerung findet am 20. März 2024 bei folgender Adresse statt: Timişoara, str. Gheorghe Lazăr nr. 9B, AMFITEATRU.
+ + + Na schau merr mol, vleicht werr ich noch vor Ostre Großgrundbesitzer. Mei Aldi sucht schun in unsrem Tresor uf der Bank noo de Lei. + + +

Schützende Sträucherwand
aus TION.ro, Timișoara / Temeswar, 08.03.2024
Der Verein Banater Grün (Verde de Banat) wird auch heuer in mehreren Ortschaften des Kreises Timiș / Temesch Sträucher entlang stark befahrener Straßen pflanzen. Für den 9. März sind die Giarmataer Bürger zu einer Bepflanzungsaktion entlang der Kreisstraße, die von Temeswar zur A1 führt, eingeladen. Der Verein stellt nicht nur die Setzlinge zur Verfügung sondern auch „Wasser, Tee, Kaffee, Imbiss und ein Mittagessen“.
+ + + Wer will do net helfe. + + +

Mihălceanus Wechsel
aus ExpressDeBanat.ro, Timişoara / Temeswar; 11.03.2024
Es klingt wie eine reumütige und trotzdem entschlossene Erklärung, wenn Giarmatas Bürgermeister Claudiu Mihălceanu sich an seine Landsleute wendet. Er gibt seinen Parteiwechsel mit „tiefer Dankbarkeit und einem Gefühl der Heimkehr“ bekannt. Eigentlich war er ja schon einmal Mitglied in einer liberalen Partei (PDL), nur 2016 aus lokalen Gründen zur Volksbewegungspartei (PMP) übergelaufen, als deren Mitglied er dann 2020 „die Ehre hatte, die Lokalwahlen zu gewinnen“. Jetzt hat die PMP sich allerdings mit anderen Gruppierungen zusammengeschlossen, was der Auslöser für seinen Wechsel zur PNL – also dieses Mal keine Liberaldemokraten (PDL), sondern Nationalliberalen (PNL) – gegeben hat. Liberal ist liberal, demokratische und nationale Färbungen scheinen sekundär zu sein, wenn Mihălceanu zum Besten gibt: „PNL ist der Ausgangspunkt, wo ich mich als Politiker formiert habe. Und heute kehre ich zurück zu dieser politischen Familie.” Dazu gehört natürlich auch, dass Giarmatas Bürgermeister bei der Wahl im Juni sowohl auf die Sympathisanten der PNL als auch jener der PMP setzt. Dafür gibt es aus seiner Sicht folgende Logik: „Ich bin fest überzeugt, dass die Wähler der PNL und PMP, Menschen des rechten Parteienpektrums, die meine Werte und Visionen teilen, mich auch weiterhin unterstützen werden. Gemeinsam werden wir auch weiterhin die Gemeinde Giarmata aufbauen und entwickeln im Sinne der Transparenz, Verantwortung und des anhaltenden Fortschritts.”
+ + + Doppelt genäht halt besser. Des war schun immer so. + + +

Der Ball rollt wieder
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 23.03.2024
Fußball – D-Liga  – Timiș / Temesch - 23. Spieltag
CS Millenium Giarmata – CSC Belinț   2:1
Torschützen: Fabian Glujdea (Min. 30 und 75) und Mihai Socaci (Min. 48 - Strafstoß)
Tabellenplatz: 5  CS Millenium Giarmata  37

Die Zorner verlieren zuhause
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 24.03.2024
Fußball - Liga V Timiș – Serie II – 18. Spieltag
CS Unirea Cerneteaz - ASO Deta II  2:3
Tabelle: 10  CS Unirea Cerneteaz  22

Kein Trinkwasser
aus TION.ro, Timișoara / Temeswar, 25.03.2024
Am 25. März wird zwischen 9 und 15 Uhr die Wasserzufuhr in den Giarmataer Straßen Industriilor und Speranței unterbrochen. Es werden Anschlüsse in der Kreuzung der zwei Straßen vorgenommen.

Centrul de Permanență
aus PrimăriaGiarmata - FACEBOOK, Giarmata / Jahrmarkt, 27.03.2024
Giarmata hat sein umstrittenes Centru de Permanență (Notfallzentrum) im Feuerwehrhaus wieder. 13 Monate haben die Verantwortlichen im Rathaus für die Wiedereröffnung gekämpft. Jetzt hat ein Gericht ihnen Recht gegeben. Die Rathausspitze bedankt sich bei allen involvierten Ärzten und Juristen. Auf der FACEBOOK-Site kann man in einem Video das neu eingerichtete Notfallzentrum sehen. 
+ + + Das nennt man einen fleißigen und wohlwollenden Osterhasen! + + +

Der Wahlkampf läuft
aus Florian Feraru - FACEBOOK, Giarmata / Jahrmarkt, 29.03.2024
Der Giarmataer Gemeinderat Florian Feraru ist Mitglied der PMP und wirbt im laufenden Wahlkampf für seine Partei und das politische Projekt einer Wahlallianz: DREAPTA UNITĂ (VEREINTE RECHTE) – ein Zusammenschluss der Parteien USR, PMP und FORȚA DREPTEI (KRAFT DER RECHTEN). Er schreibt zu seiner politischen Haltung: „Wir erleben Zeiten, in denen viele Kleine in der Politik eine Wechselware wurden zum Verrat der moralischen Werte, für die sie gewählt wurden. Persönlich kann ich nicht akzeptieren, dass die, die in den vergangenen Mandaten gelogen haben, herkommen und uns wieder belügen. […] Sollte das rumänische Volk von so viel Demokratie ermüdet sein? […] Oder wurde ihm in den letzten Jahrzehnten eingebläut, dass es nur so geht wie 1947?“ 
+ + + Das könnte auch an den ehemaligen Parteifreund Cluadiu Mihălceanu gerichtet sein ... Und das ist der Link zu Ferarus FACEBOOK-Site: https://www.facebook.com/florian.feraru.tm  + + +

Bessere Lieblinger
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 30.03.2024
Fußball – D-Liga  – Timiș / Temesch - 24. Spieltag
CSC Liebling - CS Millenium Giarmata   2:0
Torschützen: Flavius Petrişor (Min. 39) und Eugen Pistriţu (Min. 62).
Tabellenplatz: 6  CS Millenium Giarmata  37
+ + + Nach 24 Spieltagen sind Caius Marta und Adrian Sevici mit je 11 Toren  die besten Giarmataer Torschützen. + + +

Krise
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 31.03.2024
Fußball - Liga V Timiș – Serie II – 19. Spieltag
AS Juventus Pișchia – CS Unirea Cerneteaz   3:0
Tabelle: 10  CS Unirea Cerneteaz  22



Anton Potche, Anton Delagiarmata, Berns Toni

Montag, 25. März 2024

Ich moon, so saat merr des herrisch

Do unlängst hun ich in der ADZ, des is die ALLGEMEINE DEUTSCHE ZEITUNG FÜR RUMÄNIEN, geles, dass es desjohr wedder e „Rolf Bossert“-Preis gebt. De Rolf Bossert war e Dichter. Er hot aah Gedichter in seim Reschitzaer Dialekt gschrieb. Des is awwer schun lang her. Noch net ganz so lang her is, dass er sich in Deitschland es Lewe gholl hot. Er war eerscht 34 Johr alt, wie er des 1986 gemach hot.

Rolf Bossert
Screenshot: Berns Toni
Schad, wirklich schad. Wannst awwer gude Freinde host, die wu dich aah noh em Tod noch ehre un schätze, noo kriest wennichstens e materielles odder e ideelles Denkmal gsetzt. De Rolf Bossert hot so Freinde. Die hun uf Initiative vum siebenbürgisch-sächsische Dichter Hellmut Seiler de „Rolf Bossert“-Freundeskreis gegrind. Un der Freundeskreis hot de „Rolf Bossert“-Gedächtnispreis ausgschrieb. Des war im Johr 2020. Asso gebt ‘s dee Preis desjohr zum finefte Mol. Norr dee kriet merr net einfach norr so, weil merr ne gehre will. Merr muss schun was dafor ton. Un zwar muss merr de sogenannte „Rolf Bossert“-Lyrikwettbewerb gewinne. Des hoost, merr muss siwe Gedichter – selwer gschriebne – inschicke. Un wann merr die schennste un beste – asso drunner geht nicks – Gedichter gedicht hot, noo hot mer gewunn un kriet forr sei Mieh 2000 Euro.

Un jetz, Leit, halt eich fest! Ich hun mer gedenkt, zu so ‘me Gedichterwettbewerb werre so zwischen 20 un 30 Poeten, wie merr uf Hochdeitsch zu de Gedichterschreiwer saat, mitmache. Do hucke se un hun Hietcher uf! Forr dee Verse-Konkurs sin – wann die ADZ net liet – 137 Einsendunge ingang. Wie ich des gsiehn hun, sin ich mei Taschenrechner holle gang, weil so uf ‘m Papier krien ich des nemmi hin. Asso des sin 959 Gedichter. Herrgot steh mer bei! Wer soll denn die all lese? Un wann do noch vun dee moderne aah dabei sin, wu merr net waaß wu forre un hinne is, noo is merr gebenedeit unner de Gedichter.

Asso lese misse se die Mitglieder vun ‘re Jury. Des sin Weiwer un Männer, wu sich mit so etwas auskenne; so wie die Verkoster bei Kochkonkurse. Es beste Esse (noh ‘m Gschmack vun de Jurore) werd noo forr die Lyrikwelt – asso die Gedichterschreiwer un –leser – ufgetraa. Wie so e preisgekröntes Gedichteresse schmeckt, kann merr in dem Zeidungsartikel lese, weil do sin siwe vum Gewinner seine Gedichter abgedruckt. Der Poet haaßt Dietrich Machmer un kummt aus Hamburg.

Wie gsaat, des Ganze bleibt e Gschmacksach. De Jurore scheint ‘s gschmeckt zu hun. Des gilt wennichstens beim Gewinner seiner Dichtkunst. De Preis werd am 27. April in Reschitza, wu vum 26. bis zum 28. April zum 34ste Mol die Deutschen Literaturtage in Reschitza stattfinne, iwerreicht. Dort kumme se noo all zamm, die wu irgendwie etwas mit Literatur zu ton hun - aah die Jurore vum desjähriche „Rolf Bossert“-Gedächtnispreis: Hellmut Seiler, Dr. Olivia Spiridon, Werner Kremm, Bastian Kienitz un’s Bernads Kathi.

Asso, do muss ich schun soon, als Johrmarker känne mer mol wedder stolz sein. Mer hun als Landsmännin e „Literaturkennerin von Format“. Ich moon, so saat merr des herrisch. (Wie's Bernads Kathi herrisch haaßt, wisse die Johrmarker bestimmt - wennichstens die nemmi ganz junge.)

Berns Toni

Montag, 18. März 2024

Das gilt auch für M. R.-R.

Marcel Reich-Ranicki: Nachprüfung – Aufsätze über deutsche Schriftsteller von gestern; dtv, München, 1992; ISBN 3-423-11211-5; 383 Seiten; bei Online-Händlern erhältlich.

Denkt man an Marcel Reich-Ranicki, fällt einem die Fernsehsendung Das literarische Quartett ein. Und der inoffizielle Titel Literaturpapst. M. R.-R. ist 2013 im Alter von 93 Jahren gestorben und die von ihm von 1988 bis 2001 moderierte Literatursendung längst ins Nachtprogramm des ZDF verbannt. Geblieben ist die Erinnerung an eine Show-Sendung, die der Literatur im Allgemeinen und dem Buch als Kulturträger im Besonderen viel gebracht hat. Ja, ich war ein Fan von M. R.-R., auch wenn seine apodiktische Art mir nicht immer gefallen hat. Aber diese häufig missmutige Miene … das war doch hochgradig unterhaltsam. Auch wenn seine Mitstreiterin in dieser Sendung, Frau Sigrid Löffler, mit der Aussage bei Wikipedia wie folgt zitiert wird: „Im Falle Reich-Ranickis war das Fernsehen als Eitelkeitsmaschine seines Daseins Glück und Unglück. Es hat den Kritiker Reich-Ranicki zugleich unerhört popularisiert und beschädigt. Er ist heute prominenter als die meisten Autoren und Bücher, über die er sich äußert.“ (August 2021).

Wie auch immer, diesen Status eines beliebten und unbeliebten, geachteten und gefürchteten Literaturkritikers muss man sich erst einmal erstreiten. Die Bio- und Bibliographie Reich-Ranickis enthält ausreichend Hinweise auf die Erlangung eines für die deutsche Literaturkritik des 20. Jahrhunderts einmaligen Rufs und Einflusses. Zum Glück liegen viele seiner Arbeiten aus der Wochenzeitung DIE ZEIT und der Tageszeitung FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG in Buchformat vor.

Nachprüfung heißt eines dieser Bücher. Wir kennen die Nachprüfung aus unserer Schulzeit. (Ich musste selbst mal eine bestehen.) Bei M. R.-R. geht es um mehr, um sehr viel mehr. Er hat diese Aufsatzsammlung 1977 zur Publikation freigegeben und präzisiert: „Der Titel Nachprüfung ist […] wörtlich gemeint. Die Schriftsteller von gestern, zumal die bedeutendsten, werden dem zweiten Blick ausgesetzt. Sie werden analysiert und interpretiert, charakterisiert und porträtiert. Doch immer steht im Mittelpunkt die Frage: Was haben sie uns heute zu sagen, inwieweit sind die gängigen Urteile noch gültig?“

Drei Ausgaben hat diese Textsammlung erfahren, jeweils mit kleinen Änderungen und einzelnen Ergänzungen – auch mit wenigen neuen Texten. Was uns Marcel Reich-Ranicki hier vorlegt, sind keine Textinterpretationen, sondern Charakterbeschreibungen von Menschen, deren Leben von Höhen und Tiefen geprägt war und die in der literarischen Arbeit Genugtuung, aber auch Zuflucht fanden; Zuflucht aus einem oft erbärmlichen Leben, geprägt von sexuellen Nöten, Alkoholismus, Nichtbeachtung, Vergessen und nicht zuletzt von materieller Not – oft im schmerzlichen Exil. (Das erinnert mich an die in der LITERARISCHEN WELT beheimatete Kolumne Actionszenen der Weltliteratur – Alles Schriftstellerleben sei Papier, heißt es. In dieser Reihe treten wir den Gegenbeweis an.)

Marcel Reich-Ranicki bedient sich in seinen Aufsätzen einer leicht konsumierbaren Sprache. Seine Sätze sind zwar nicht immer die kürzesten, aber man sieht sich nur selten dazu genötigt, ein zweites oder gar drittes Mal nachzulesen. Vorwärtstreibend wirken auch die betont biografischen Akzente dieser Essays. Man will die Protagonisten kennenlernen, als Schriftsteller, aber vor allem auch als Menschen. Und das, obwohl man schon so viel von dem einen oder anderen gelesen oder gehört hat. 

Man kriegt auch viel von der Zeit mit, in der diese Menschen gelebt haben. Die Milieuschilderungen eines Kritikers sind dann doch etwas anderes als die eines Schriftstellers. Sie können (oder müssen) vom Fiktionalen ganz befreit existieren und dem Leser die Möglichkeit gewähren, sich eine Welt von anno dazumal einigermaßen realistisch vorzustellen. So lernen wir nicht nur dem Schreiben verfallene Menschen kennen, sondern auch deren persönliches, oft sogar intimes Umfeld.

Was in der heutigen Zeit als anstößig empfunden werden könnte, war zur Entstehungszeit dieser Aufsatzsammlung bestimmt noch kein diskussionswürdiges Thema: etwa eine Mann-Frau-Parität. Anna Seghers ist von den Hauptprotagonisten in diesem Buch die einzige Frau unter vielen namhaften Kollegen von Bertolt Brecht bis Arnold Zweig.

Über Thomas Mann schreibt Marcel Reich-Ranicki: „Die Diktion seiner Epik ist von nicht überbietbarer Virtuosität, sie ist vollkommen.“ Das gilt auch für ihn selber, M. R.-R.. Wer sich dieser Nachprüfung annimmt, wird das bestätigen.


Anton Potche